Daten – Fakten

Hier sammeln wir Daten und Fakten, die wir aus erster Hand bestätigt bekommen haben. Sollten Aussagen falsch sein, bitten wir um eine Nachricht mit Quellenangabe. Wir sind bemüht in nächster Zeit auch die jeweiligen Quellen hier zu veröffentlichen. Ebenso veröffentlichen wir gerne weitere Informationen zu diesem Thema. Wir bitten um Kontaktaufnahme per mail an den Bundesverband.

 

Auslöser

sei laut Conterganstiftung (zitiert in einer Antwort des Bundesfamilienministeriums an die Grünen/Bündnis90) eine Anfrage eines Geschädigten nach dem Informationsfreiheitsgesetzes. Da die Stiftung diesem Ersuchen nicht nachkommen wollte, wurde vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben. Nach einer Verhandlung am 22.7.2017 wurde die Conterganstiftung zur Auskunft verpflichtet. Die Stiftung musste Ankunft geben, über Geburtsdatum (Monat und Jahr), Bezeichnung des Medikamentes, soweit ermittelbar, sowie des Geburtslandes soweit bekannt
(https://www.contergan-infoportal.de/fileadmin/downloads/NEU-DOWNLOADS/Aktuelles/IFG_Urteil_VG_Koeln_13_K_5586_15.pdf). Ob dies dann wirklich zum Vorgang im Sommer 2019 führte, ist uns unbekannt.

Betroffene

Zur Anzahl der Betroffenen existieren drei verschiedene Angaben:

  1. Presserklärung der Conterganstiftung für behinderte Menschen vom 6.12.2019:
    „Zum großen Bedauern von Vorstand und Mitarbeitenden der Geschäftsstelle der Conterganstiftung für behinderte Menschen muss die Stiftung prüfen, ob die Leistungen an 58 brasilianische Leistungsempfänger, deren Mütter das Produkt „Sedalis“ eingenommen hatten, weiter gezahlt werden dürfen.“
  2. Antwort des Familienministeriums an die Fraktion Die Grünen/Bündnis 90 vom 12.12.2019:
    „Laut Auskunft der Conterganstiftung hat sie insgesamt 64 Personen zur Abgabe einer Stelllungsnahme im Rahmen einer schriftlichen Anhörung angeschrieben. In Brasilien wurden 60 Betroffene angeschrieben, in Mexiko drei Betroffene und in Finnland eine betroffene Person.
  3. Antwort der Geschäftsstelle auf eine Anfrage des Bundesverbandes am 19.12.2019:
    „Die Conterganstiftung hat insgesamt an 62 Personen Anhörungsschreiben hinsichtlich einer Überprüfung der Leistungsberechtigung gemäß §2 des Conterganstiftungsgesetzes (ContStiftG) übersendet. Davon leben 58 Personen in Brasilien, eine Person in Finnland und drei Personen in Mexico“

Nach unserem Kenntnisstand zweifelt die Conterganstiftung an, dass folgende Medikamente nicht von Grünenthal hergestellt wurden: Sedalis, Talargan und Postadoxin.

Betroffene werden u.a. von RA Fr. Buder vertreten.

Conterganstiftung

Die Conterganstiftung beruft sich auf das Conterganstiftungsgesetz §§ 12,13 sowie Verwaltungsverfahrensgesetz §28 Abs 1:

§ 12 Leistungsberechtigte Personen
(1) Leistungen wegen Fehlbildungen, die mit der Einnahme talidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, werden an die behinderten Menschen gewährt, die bei Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes lebten, und nach Maßgabe des § 13 Abs. 5 Satz 2 an deren Erbinnen und Erben.
(2) Wurden Leistungen nach § 13 des Errichtungsgesetzes nicht innerhalb der dort
vorgesehenen Frist geltend gemacht, können die Conterganrente und eine
Kapitalentschädigung für die Zeit ab 1. Juli 2009 beantragt werden.

§ 13 Art und Umfang der Leistungen an behinderte Menschen
(1) Den in § 12 genannten Personen stehen als Leistungen Kapitalentschädigung, Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 3 lebenslängliche Conterganrente sowie eine jährliche Sonderzahlung zu, die erstmals für das Jahr 2009 gewährt wird. Die Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und die jährlichen Sonderzahlungen werden nur geleistet, soweit dafür Mittel nach § 11 Satz 2 Nummer 1 und 2 im Stiftungsvermögen vorhanden sind.
(2) Die Höhe der Kapitalentschädigung, der Conterganrente und der jährlichen Sonderzahlung richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen. Die Kapitalentschädigung beträgt mindestens 1.278 Euro und höchstens 12.782 Euro, die monatliche Conterganrente mit Wirkung vom 1. Januar 2013 mindestens 612 Euro und höchstens 6.912 Euro. In leichten Fällen sind die Leistungen auf die Kapitalentschädigung zu beschränken. Die Höhe der Conterganrente wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend jeweils entsprechend dem Prozentsatz angepasst, um den sich die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändern. Die Anpassung nach Satz 4 erfolgt jeweils zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden.
(3) Auf Antrag ist die Conterganrente zu kapitalisieren, soweit der Betrag zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken verwendet wird. Die §§ 72, 73, 74 Abs. 3 Satz 1, §§ 75, 76 und 77 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. § 75 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb der Frist, für die die Conterganrente kapitalisiert wurde, nur mit Genehmigung der Stiftung zulässig sind. Die Kosten der Eintragung einer Verfügungsbeschränkung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 bis 4 des Bundesversorgungsgesetzes in das Grundbuch trägt die leistungsberechtigte Person. Darüber hinaus ist die Conterganrente auf Antrag zu kapitalisieren, wenn dies im berechtigten wirtschaftlichen Interesse des behinderten Menschen liegt. Im Übrigen kann die Conterganrente auf Antrag teilweise kapitalisiert werden, wenn dies im Interesse des behinderten Menschen liegt. Die Kapitalisierung ist auf die für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren zustehende Conterganrente beschränkt. Der Anspruch auf Conterganrente, an deren Stelle die Kapitalabfindung tritt, erlischt für die Dauer des Zeitraumes, für den die Kapitalabfindung gewährt wird, mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung der Abfindung folgt.
(4) Die Zahlungen der Conterganrente beginnen frühestens mit dem Antragsmonat. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes gestellt, so wird die Conterganrente vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an gewährt. Die jährlichen Sonderzahlungen beginnen nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 mit dem Jahr, in dem der Antrag auf Conterganrente gestellt worden ist.
(5) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 genannten Leistungen können nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Vererblich sind lediglich Ansprüche auf Kapitalentschädigung, auf Conterganrente und auf die jährliche Sonderzahlung, die im Zeitpunkt des Todes der leistungsberechtigten Person bereits fällig geworden sind, und zwar nur dann, wenn die Person von ihrem Ehegatten, ihrer Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern beerbt wird.
(6) Das Nähere regeln die Satzung und die Richtlinien. Die Satzung trifft insbesondere Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang der Kapitalisierung der Conterganrente nach Absatz 3 Satz 5 und 6 sowie über die Art der Berechnung des Kapitalbetrages. In den Richtlinien ist insbesondere zu regeln, nach welchen Maßstäben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel Leistungen nach diesem Abschnitt zu bemessen sind und wie das Verfahren zur Gewährung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe
auszugestalten ist; diese Richtlinien erlässt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
(7) An Erhöhungen der Conterganrente nehmen auch leistungsberechtigte Personen teil, deren Conterganrente nach Absatz 3 kapitalisiert worden ist.
(8) Für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes entsprechend. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist entsprechend anwendbar.

und VwVfG: (hier beruft sich die Conterganstiftung nur auf Abs. 1; Abs.2 und 3 bleiben wohl unberücksichtigt).

§ 28 Anhörung Beteiligter
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
1. eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2. durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3. von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht
hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4. die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder
Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5. Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

Eventuell relevant sind auch:

§ 2 Stiftungszweck
Zweck der Stiftung ist es, behinderten Menschen, deren Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen (früher Chemie Grünenthal GmbH in Stolberg), durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können,
1. Leistungen zu erbringen und
2. ihnen durch die Förderung oder Durchführung von Forschungs- und Erprobungsvorhaben Hilfe zu gewähren, um ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu unterstützen und die durch Spätfolgen hervorgerufenen Beeinträchtigungen zu mildern.

§ 15 Sonderregelung für Auslandsfälle
(1) Haben die leistungsberechtigte Person oder ihre gesetzlichen Vertreter ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes, so erhalten sie Leistungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nur dann, wenn sie vorher schriftlich erklären, dass sie auf die Geltendmachung etwaiger Ansprüche gegen die Grünenthal GmbH, deren Gesellschafterinnen und Gesellschafter, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer und Angestellte, die auf die Einnahme thalidomidhaltiger Präparate zurückgeführt werden, unwiderruflich verzichten.
(2) Auf die Leistungen nach diesem Gesetz werden Zahlungen angerechnet, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate bereits von anderen möglicherweise Verantwortlichen geleistet worden sind. Auf die Kapitalentschädigung und die Conterganrente werden Zahlungen angerechnet, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate von Anderen, insbesondere von ausländischen Staaten, geleistet werden.

Den Wortlaut einiger Anschreiben an Geschädigte haben wir hier wiedergegeben.

Verwaltungsverfahren

Für dieses Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahren vorgesehen. Derzeit hat die Conterganstiftung ein Anhörungsverfahren mit den Leistungsempfängern eingeleitet. Bescheide sind bisher noch nicht erlassen worden.

 

Wie funktioniert dies in diesem Fall

  1. Alle Leistungsempfänger der Conterganstiftung haben einen Antrag auf Anerkennung als Leistungsempfänger nach §2 ContStiftG gestellt und einen positiven Bescheid, der rechtskräftig ist, erhalten.
  2. Die Conterganstiftung beruft sich darauf neue Erkenntnisse erhalten zu haben, nach denen der o.g. Bescheid zurückgenommen werden müsse.
  3. Die Conterganstiftung ist damit verpflichtet dies zu prüfen.
  4. Falls die Prüfung ergibt, dass die Annahme richtig ist, muss sie ein Anhörungsverfahren der Betroffenen durchführen.
  5. Die Conterganstiftung muss die Argumente der Betroffenen, das öffentliche Interesse und weiteres abwägen.
  6. Sollte alles gegen den Bescheid sprechen, muss sie einen neuen Bescheid erlassen.
  7. Dagegen kann der Betroffene/die Betroffene Widerspruch einlegen und natürlich auch klagen.

Grünenthal

Stellungnahme Sedalis
Aktuelle Medienberichterstattung zur Conterganstiftung und Sedalis

Zur Zeit wird in den Medien berichtet, dass die Conterganstiftung beabsichtigt, die Zahlungen an brasilianische Betroffene, die durch das Produkt „Sedalis“ geschädigt wurden, einzustellen. Wir nehmen wie folgt Stellung:

Die Conterganstiftung selbst hat durch ihre verantwortlichen Gremien vor beinahe fünfzig Jahren in Kenntnis der Umstände entschieden, dass „Sedalis“ ein Produkt war, das unter das Conterganstiftungsgesetz fällt. Wir sehen daher keine Veranlassung, an dieser Bewertung zu zweifeln. Obwohl wir mit diesem Vorgehen nicht einverstanden sind, haben wir weder Einfluss auf die Entscheidung der Conterganstiftung noch wurden wir vorher darüber informiert.

Im Sommer 2019 wurde Grünenthal zu Informationen zum Medikament Sedin von der Conterganstiftung angeschrieben. Daraufhin hat Grünenthal der Conterganstiftung geantwortet, dass Sedin kein Präparat der Firma Grünenthal sei, im Gegensatz zu Sedalis. Im weiteren Verlauf hat Grünenthal ein umfangreiches Gutachten an die Conterganstiftung übermittelt, das begründet, warum Grünenthal nach wie vor der Meinung ist, dass die anerkannten Betroffenen in Brasilien zu Recht Leistungen der Stiftung beziehen.

Nach Auskunft von Grünenthal hat die Conterganstiftung erstmals am 6.1.2020 nach dem Vertragstext zwischen Grünenthal und Pineiros nachgefragt.

Bundesverband

Der Bundesverband Contergangeschädigter e.V. arbeitet daran, die Betroffenen auch im  Ausland zu unterstützen. Wir sind dazu mit Conterganstiftung, Anwälten, Politikern, Grünenthal und anderen Unterstützern in Kontakt.

Warum wir der Meinung sind, dass die Conterganstiftung nicht richtig gehandelt hat

Oben wurde erklärt (hier), wie das Verfahren abläuft. Bei folgenden Schritten sind wir nach juristischer Beratung anderer Meinung:

2. Die Conterganstiftung ist der Meinung, neue Erkenntnisse erlangt zu haben. Nach unserem Wissen beruft sich die Conterganstiftung auf Sachverhalte, die bereits bei dem jeweiligen Bescheid der Antragsteller bekannt waren und in den Akten niedergelegt sind. Dies war den aktuellen Personen der Conterganstiftung wohl nicht bekannt, stellt jedoch keine neuen Erkenntnisse dar. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt: „das bloße Bekanntwerden von Umständen, die bereits vor Erlass des Verwaltungsaktes vorlagen, aber nicht berücksichtigt wurde, genügt nicht.“
Daher halten wir die Prüfung der Bescheide generell für nicht rechtskonform.

3. Bei der Prüfung wurde nicht berücksichtigt, dass:

– Sedalis als „Präparat, das mit Grünenthal in Verbindung gebracht werden kann“ gilt (z.B. Böhm, Verwaltungsgericht Köln, Grünenthal, …).

– die Betroffenen sich auf Vertrauensschutz berufen können.

– ein Teil der jetzt Betroffenen schon am Vergleich mit Grünenthal beteiligt und anerkannt waren und daher „automatisch“ unter des Conterganstiftungsgesetz fallen

Daher hätte es gar nicht zu einem Anhöhrungsverfahren kommen dürfen.

Was der Bundesverband Contergangeschädigter e.V. unternimmt

Am Anfang waren wir damit beschäftigt, die unterschiedlichen Aussagen zu verifizieren und offene Punkte beantwortet zu bekommen.

Im Moment steht die Unterstützung der Betroffenen im Vordergrund. Dazu haben wir u.a. die Conterganstiftung gebeten, unser Infromationsschreiben in portugiesischer Sprache an die Betroffen auf unsere Kosten weiterzuleiten. Die Antwort darauf findet sich hier.